Gottesdienst feiern, wenn kein Gottesdienst stattfinden darf?
Am 11. März verbot der Lahn-Dill-Kreis aufgrund der Ansteckungsgefahr durch das gefährliche Coronavirus alle Veranstaltungen mit mehr als 49 Personen, kurz darauf wurde diese Regelung weiter drastisch verschärft. Trotzdem hatten wir am darauf folgenden Sonntag zur gewohnten Zeit einen Gottesdienst, wenn auch online. Kerstin Bechtum, die mit ihrem Mann Mario das Diakonat Gottesdienst leitet, gewährt uns einen Blick hinter die Kulissen.
Während weniger Stunden musste eine völlig neue Gottesdienstform auf die Beine gestellt werden, wie war das möglich?
Unsere Mitarbeiter aus den verschiedenen Gottesdienstbereichen waren spontan dazu bereit, sich auf diese neue Herausforderung einzulassen. Das Ziel war und ist, unsere Gottesdienste nicht einfach aufzugeben, denn sie sind das Herzstück unseres Gemeindelebens. Deshalb haben wir uns dazu entschieden, gerade in dieser Zeit durch das, was gesagt und gesungen wird, Hoffnung zu vermitteln. Das erste Lied in unserem ersten Streaming – Gottesdienst hieß deshalb auch: „Jesus, hope of the nations“ (Jesus, Hoffnung der Nationen).
Welche technischen Voraussetzungen waren nötig?
Die Idee, Gottesdienste zu streamen, gab es schon länger. Aber bisher hatten wir das noch nicht mit Nachdruck verfolgt, weil dafür mehr Ressourcen notwendig sind. Außer unserer „normalen“ Gottesdiensttechnik (Computer, Mischpult, Instrumente, Mikros, Licht usw.) brauchten wir noch Kameras.
Ein großes Geschenk war dabei, was in den Monaten vorher schon gelaufen ist: Wir hatten ein neues Mischpult angeschafft, leistungsstarke PCs für Bildbearbeitung gekauft und ein YouTube-Kanal war schon vorbereitet. Nicht zuletzt sind in den letzten Monaten zu unserem bestehenden Technikteam noch weitere kompetente Mitarbeiter dazugekommen.
Wie viele Mitarbeiter sind bei einer Aufnahme beteiligt?
Außer den Mitarbeitern, die man sieht, drei Techniker für Ton- und Videoaufnahme und eins bis zwei Techniker, die dann viele Stunden schneiden und streamen.
Welchen besonderen Herausforderungen begegnet ihr?
Am Anfang hatten wir wenig Erfahrung und mussten mit den vorhandenen Möglichkeiten und dem Equipment, das kurzfristig verfügbar war, auskommen. Außerdem hatten wir nur wenige Stunden Zeit. Der erste Gottesdienst wurde erst samstags aufgezeichnet und sonntags schon gestreamt. Das hat Gott innerhalb von wenigen Stunden möglich gemacht! Auch rechtliche Fragen mussten kurzfristig geklärt werden. Hier hat der Bund der Freien evangelischen Gemeinden in Witten tolle Arbeit geleistet und uns sehr geholfen.
Bei einem Gottesdienst gab es einige technische Schwierigkeiten. Woran lag es?
Viele Gemeinden bieten aktuell parallel Streaming-Gottesdienste an. Außerdem sind die Leute zu den Streaming-Zeiten zu Hause und surfen im Internet. Das führt während der Gottesdienstzeiten zu Netzüberlastungen und -ausfällen.
Hin und wieder kommen die Mitarbeiter auch in der Vorbereitung an technische Grenzen oder treffen auf unkalkulierbare Probleme. Ich bin total dankbar, dass sie daran permanent arbeiten und diese Arbeit weiter optimieren.
Gibt es eine besondere Erfahrung, die Ihr teilen möchtet?
Nach dem ersten Streaming-Gottesdienst schlug jemand aus dem Musikteam vor, präventiv so viele Lieder wie möglich innerhalb kurzer Zeit aufzunehmen, um vorbereitet zu sein, wenn man sich nicht mehr treffen darf. Darauf ließen sich Musiker und Techniker ein und stellten innerhalb von zwei Tagen ein Repertoire zusammen, mit dem man einige Wochen auskommen kann. Auch unser Pastor bereitete in dieser kurzen Zeit eine Predigtreihe vor, die schon aufgezeichnet wurde. Nachdem Musik- und Predigtaufnahmen abgeschlossen waren, wurden die Maßnahmen der Landesregierung verschärft. Wie toll, dass da schon fast alles im Kasten war! Just in time!
Was ist Euer Wunsch?
Wenn ich darauf nur eine Antwort geben darf, dann wünsche ich mir am meisten, dass die Maßnahmen gegen die schnelle Verbreitung der Pandemie greifen und wir uns endlich wieder als Gemeinde treffen können. Für die Mitarbeiter, die jede Woche die Online-Gottesdienste schneiden und technisch aufbereiten, ist das doch eine enorme Belastung. Auch beim Singen ist es ein großer Unterschied, ob man das alleine, mit der Familie oder als ganze Gemeinde macht!
In der Zwischenzeit wäre es großartig, wenn die Leute, die bei uns reinklicken, durch unsere Gottesdienste ermutigt werden und in Jesus Trost und eine Perspektive finden! Vielleicht werden wir überrascht sein nach den Maßnahmen zu hören, was Gott in dieser Zeit gewirkt hat.