Worauf kommt es an, wenn Menschen in Lebensgefahr sind?
Wenn schwerverletzte und schwerkranke Menschen um ihr Leben ringen, ist schnelle, präzise und besonnene Hilfe gefragt. Gleichzeitig spielen Zuwendung und Zuspruch eine wichtige Rolle, damit der Körper in einem solchen Notfall Kräfte für den Heilungsprozess aufbaut.
Rebekka Hofmann ist ausgebildete Fachkrankenschwester im Bereich Intensivmedizin und Anästhesie. Im Gespräch mit ihr gewinnen Bibelpassagen, in denen es um Verletzung und Maßnahmen bei Krankheit geht, eine neue Bedeutung.
Zupacken und zuwenden
Ich frage bei Rebekka nach, ob sie bereit ist, mit mir einen Blick auf Bibelstellen mit medizinischem Inhalt zu werfen. Doch als wir uns treffen, interessiert mich auch, warum sie den Beruf als Krankenschwester überhaupt ergriffen hat. „Am Anfang faszinierten mich Verbände, Instrumente und Abläufe im medizinischen Bereich. Als junge Schwester möchte man dazulernen, besonders wenn es um lebensrettende Maßnahmen und Erst- und Intensivversorgung geht. Auf der Intensivstation gehören der Umgang mit Notfall- und Ausnahmesituationen, auch Abschiednehmen und Tod eines Menschen, dazu. Doch es ist wichtig, in der ihm noch verbleibenden Zeit alles für sein Wohlbefinden zu tun, was im Rahmen des Möglichen ist. Das betrifft Pflegemaßnahmen, die dem Patienten gut tun – zum Beispiel das Kissen bequem richten, damit er entspannt, ihn gut zu versorgen, ihm besondere Getränke zur Verfügung zu stellen, auf individuelle Bedürfnisse einzugehen und seine Angehörigen zu informieren“, antwortet sie mir.
Inzwischen arbeitet Rebekka in einem anderen medizinischen Bereich und nicht mehr auf der Intensivstation, doch sie meint: „Bis heute liebe ich meinen Beruf als Intensivschwester, weil ich unabhängig von einer Diagnose etwas beitragen kann, damit es Menschen besser geht, gerade dann, wenn sich Patient und Angehörige in einer Ausnahmesituation befinden. Auch wenn wir glücklicherweise eine Hochleistungsmedizin haben, so wird weiter vom Pflegepersonal präzises Arbeiten verlangt, denn gute Pflege und Zuwendung bleiben unverzichtbar für einen Heilungsprozess.“ Körper, Geist und Seele gehören nun mal zusammen.
Mit Rebekkas beruflichen Kenntnissen gehen wir dann an die Geschichte vom Barmherzigen Samariter:
Schwerverletztes Raubopfer überlebt
Jesus erzählt diese Überfallszene mit einem Schwerverletzten in Lukas 10,25. Es wird deutlich, dass er weiß, was für die Erstversorgung eines Verletzten wichtig ist. Der Vorfall ereignet sich vermutlich oberhalb des St.Georgs–Klosters kurz vor Jericho – an der sogenannten „Blutsteige“ (Josua 15,7), in Anlehnung an den rot gefärbten Stein oder die Gefahren, die bis heute auf diesem einsamen Wegstück lauern. Levit und Priester gehen vorüber, da sie nach Kontakt mit einer Leiche beim Tempeldienst länger aussetzen müssten. Der Samariter hingegen stellt eigene Pläne hintenan und hilft, obwohl er dort jederzeit selbst Opfer von Gewalt werden kann. Eine heute für Ersthelfer und Sanitäter sehr reale Situation.
Aus Krankenschwesternsicht kümmert sich der Samariter professionell um das Opfer. Er wendet sich dem Schwerverletzten zu und ergreift Maßnahmen. Die Wunden müssen desinfiziert werden. Dazu nimmt er vom Wein, den er bei sich hat. Ob er ihn vielleicht auch als Beruhigungsmittel eingesetzt hat? Darüber können wir nur spekulieren. Dann versorgt er die Wunden mit Öl. Erwiesenermaßen hat Olivenöl eine entzündungshemmende und stärkende Wirkung und wurde zur Zeit der Bibel traditionell bei Hautverletzungen angewendet. Nach der Wundversorgung verbindet der Samariter das Opfer und stellt somit sicher, dass es zu keinem weiteren Blutverlust kommt. „Woher hatte er wohl das Verbandszeug? Ob er dafür ein Kleidungsstück aus seinem Besitz zerriss?“, fragen wir uns.
Nach der Erstversorgung stellt der Samariter sein eigenes Reittier zum Krankentransport bereit, um den mittellos gewordenen Schwerverletzten an einen Ort zu bringen, wo er sich auf seine Kosten erholen kann. „Geh hin und handele ebenso“, lautet der Aufruf Jesu am Ende des Gleichnisses. Was hat Jesus wohl damit gemeint, da seine Zuhörer kaum nur aus medizinischem Personal bestanden?
Ganzheitliche Hilfe ist gefragt
Notfallmaßnahmen und Zuwendung greifen hier ineinander. Im modernen Krankenhauswesen weiß man, wie wichtig es ist, dass der Patient mit seinen Nöten nicht alleine gelassen wird. Damit möglichst wenig Sorgen den Heilungsprozess beeinträchtigen, gibt es Einrichtungen wie den Sozialen Dienst und die Krankenhausseelsorge. Zuwendung, Rückhalt und Gebet nehmen eine unterstützende Rolle in der Genesung ein, praktische Nächstenliebe kann den Unterschied machen.
In der Bibel misst Jesus daher einfachen Besuchen bei Menschen in Grenzerfahrungen einen hohen Wert bei. Wir lesen vom seelsorgerlichen Dienst durch reife Christen in der Gemeinde, damit Kranke Belastendes bekennen und für sich beten lassen können. Jesus möchte Menschen mit ganz unterschiedlichen Begabungen und Berufungen gebrauchen, damit Betroffene seine rettende Liebe und Hoffnung erfahren.
Dass er eine Beispielgeschichte mit vielen medizinischen Details erzählt, ist sicher nicht zufällig. Er weiß also, was Ersthelfer und medizinisches Personal leisten. Für uns eine Motivation, für sie zu beten und sie wertzuschätzen – gerade in der Coronazeit.
Bibelstellen: Lukas 10,25-37; 3. Mose 21,1-3; Jesaja 1,6; Matthäus 25,35; Jakobus 5,12;
Text: Rebekka Hofmann und Hildegund Beimdieke