Jesus vor Gericht – Fakten und Details

In der Passionszeit rückt Karfreitag näher. Rechtsanwalt Christian Messerschmidt hat daher den Prozess Jesu für uns unter die Lupe genommen. War sein Verfahren rechtsstaatlich? Zu welchem Ergebnis kamen die Richter nach der Vernehmung?

Rom besaß zur Zeit Jesu ein fortschrittliches Rechtssystem

Israel stand zur Zeit Jesu unter römischer Besatzung. Doch während kleinere Vergehen durch jüdische Richter abgeurteilt wurden, nahm die Besatzungsmacht für sich in Anspruch, über Todesurteile selbst zu entscheiden. Weil der erhobene Vorwurf gegen Jesus mit der Todesstrafe geahndet wurde, war bei ihm der römische Richter zuständig. Man kann das Rechtssystem zur Zeit Jesu als sehr fortschrittlich bezeichnen. Als Jurist fällt mir auf, dass das Verfahren durchaus rechtsstaatlich war – auch wenn es in diesem Fall in reiner Willkür endete.

In einem Prozess nach römischem Recht wurde dem Beschuldigten der Vorwurf mitgeteilt und er war dann berechtigt, sich zu verteidigen. Jesus hatte keinen Verteidiger und Pflichtverteidigung gab es noch nicht. Fortschrittlich war allerdings bereits, dass Jesus sich selbst hat verteidigen können. Außer der Aussage in Johannes 18,36: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt“, hätte er seinen Ausspruch in Lukas 20,25 „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist“ zu seiner Verteidigung anführen können.

Kreuzigungen waren damals sehr selten. Dem weiteren Bibeltext entnehmen wir, dass sich Pilatus eigentlich gar nicht mit dem Thema befassen wollte.  „Dann nehmt ihr ihn doch und richtet ihn nach eurem Gesetz!“ (Johannes 18,31). Nur wegen des Verweises auf das mögliche Todesurteil musste er sich mit den Vorwürfen beschäftigen. Es dürfte sich daher um ein politisch motiviertes Verfahren handeln. Die Anklagepunkte wurden von Jesu jüdischen Gegnern bestärkt.

Gerichtsort des Pilatus. Bild: Alexander Schick

Pilatus selbst hätte wohl „in dubio pro reo“ (im Zweifel für den Angeklagten) geurteilt. Schließlich hatte er zweifelsfrei erkannt: „Ich finde keine Schuld an diesem Menschen“. Mehrmals versuchte er, eine „goldene Brücke“ zu bauen. Doch im Ergebnis handelte er aus Furcht vor der Reaktion der jüdischen Bevölkerung. Zudem wollte Rom keine Unruhe in dieser Provinz.

 

Zwei Richter bestätigten die Unschuld Jesu

Da Pilatus einen Weg suchte, nicht selbst die Entscheidung treffen zu müssen, brachte er die Frage der Zuständigkeit ins Spiel. Jesus war nämlich Galiläer und in diesem Herrschaftsgebiet war Herodes zuständig. Pilatus verwies den Fall nun an den zuständigen jüdischen Richter, dessen Vorgesetzter er gleichzeitig war. Damals wie heute ist die Frage der Zuständigkeit ein gern genutztes Mittel, wenn man nicht mehr weiterweiß. Herodes hörte sich den Fall zwar an und verwies ihn dann zurück an Pilatus. Keiner wollte offensichtlich derjenige sein, der das Urteil spricht.

Interessant: Jesus verweigert bei Herodes die Antworten im Verhör. Das Recht zu schweigen ist im Strafrecht eines der stärksten Rechte des Beschuldigten. Nach heutigem deutschen Recht hätte das Schweigen bei Herodes zur Verteidigung aber keinen Nutzen gehabt. Die Angaben, die von ihm bei Pilatus gemacht wurden, könnten trotzdem verwertet werden. Jedenfalls kommen beide Richter zum Ergebnis, dass sie keine Schuld bei Jesus finden konnten.

„…als ich ihn vor euch verhörte, habe ich keine Schuld gefunden, deretwegen ihr ihn anklagt, aber auch Herodes nicht; und siehe es ist nichts von ihm verübt worden, was des Todes würdig wäre. Darum will ich ihn züchtigen und dann freilassen“ (Lukas 22,14-15).

Ecce-Homo-Bogen in der Via Dolorosa. Bild: Alexander Schick

Das endgültige Urteil hätte auf Freispruch lauten müssen

Nach dieser Erklärung des Pilatus hätte Jesus von den schwerwiegenden Vorwürfen freigesprochen werden müssen. Unterstellt, es wäre tatsächlich nach dem geltenden römischen Recht verfahren worden, hätte die Züchtigung nur bei einem nachgewiesenen Verstoß durchgeführt werden dürfen. Es drängt sich allerdings der Verdacht auf, dass dies nur aus Aktionismus und zur Beruhigung der Ankläger in Aussicht gestellt wurde.

Die Ankläger der Juden und die Menge verlangten den Tod Jesu und die Herausgabe des Verbrechers Barabbas. Im Gnadenwege durfte das jüdische Volk zum Passahfest einen Gefangenen herausverlangen. Pilatus versuchte noch zweimal, das Volk zu überzeugen, Jesus freizulassen. Die Menge drohte daraufhin außer Kontrolle zu geraten. Im Ergebnis erfüllte Pilatus den Wunsch des Volkes. Spätestens an dieser Stelle ist das römische Recht nicht mehr im Vordergrund. Rechtsstaatlichkeit war nicht mehr vorhanden.

Weg Jesu vom Gerichtsort bis nach Golgatha. Bild: Alexander Schick

Ein von Willkür geprägtes Todesurteil

Richtig wäre gewesen, Freispruch für Jesus. Barabbas hätte trotzdem freigelassen werden können. Der Versuch von Pilatus, das Volk sich zwischen Jesus und Barabbas entscheiden zu lassen, ist rechtlich nicht haltbar. Diese Entscheidung hätte die Schuld und das daraus resultierende Todesurteil gegen Jesus vorausgesetzt. Wie wir wissen, sprach Pilatus noch kurz zuvor davon, dass er keine Schuld bei Jesus finden kann.

Abschließend ist anzumerken, dass Vorverurteilung durch die Bevölkerung auch heute existiert! Daher wundert mich das Prozedere nicht. 

Die Tatsache, dass Jesus trotz bestätigter Unschuld vonseiten des römischen und des jüdischen Gerichts den grausamen Kreuzestod erleiden musste, ist für den christlichen Glauben von entscheidender Bedeutung. Ein perfektes Opferlamm war im Alten Testament notwendig, um Schuld stellvertretend zu sühnen. Als Christus kam, bezeichnete er sich selbst als das Lamm Gottes, das der Welt Sünde trägt (Johannes 1, 29). Wenige Jahre später bezeugte Paulus: „Denn Gott hat Christus, der ohne jede Sünde war, mit all unserer Schuld beladen und verurteilt, damit wir freigesprochen sind und vor ihm bestehen können“ [2. Korinther 5,27, Hoffnung für alle).

Bilder Schick: Alexander Schick © www.bibelausstellung.de

Bibeltexte zum Prozess Jesus: Mt. 27,1-30; Mk. 15,1-20; Lk. 23,1-25; Joh. 18,29-19,16)