Essen verbindet Kulturen – in der Bibel spielt es eine große Rolle
Dazu befragten wir Piero Scarfalloto, den Gründer von „Haiger is(s)t bunt“ – einem Kochprojekt, dessen Idee später auch als „Herborn is(s)t bunt“ umgesetzt wurde. Piero ist gleichzeitig der Leiter des Kairos Projektes „Kirche mit Menschen aus aller Welt“ der FeGs in unserer Region.
Haiger is(s)t bunt hatte damals Auswirkungen bis nach Herborn. Piero, was war das Besondere daran?
Unser Projekt „Haiger is(s)t bunt“ markierte in 2014 den Start der internationalen Arbeit in Haiger und inspirierte auch Menschen an anderen Orten, solch ein Projekt zu starten: zum Beispiel in Rennerod, Rodenbach und Herborn. Es ist kein Wunder, dass es ausgerechnet das gemeinsame Kochen und Essen geschafft hat, ganz unterschiedliche Menschen zusammenzubringen.
Ich habe in den letzten Jahren viele gemeinschaftsstiftende Formate getestet und dabei immer wieder festgestellt, dass eine grenzüberschreitende Gemeinschaft kaum besser funktioniert als um einen lecker gedeckten Tisch herum. Wenn ich in Erinnerungen schwelge, ist es insbesondere die Unterschiedlichkeit der Teilnehmer, die mich faszinierte.
In Kleingruppen wurden immer zuerst verschiedene Teile des Menüs vorbereitet, bevor gemeinsam gegessen wurde. Und wenn da eine syrische Mama dem deutschen Banker zeigte, wie man die Lammfleischspieße richtig dreht und Kommunikation auf Augenhöhe jenseits von Sprache funktionierte – und das alles mit dem Duft von angebratenem Knoblauch in der Nase – das war schon toll. Und natürlich der Moment, als alles fertig war! Der Tisch war gedeckt, das Buffet stand bereit. Man hatte gemeinsam gearbeitet und jetzt durften die Geschmacksnerven auf internationale Entdeckungstour gehen – da läuft mir jetzt noch das Wasser im Mund zusammen.
Wir begegnen in der Bibel immer wieder herrlichen Lebensmittelbeschreibungen. Warum hat Essen in der Bibel und bei vielen Menschen aus anderen Kulturen, diesen hohen Stellenwert?
Menschen, die zur Zeit der Bibel lebten, hatten noch eine viel größere Bindung zum Essen als wir heute und damit auch eine größere Wertschätzung dafür. Schließlich drehte sich Großteil des Lebens darum, Lebensmittel mit den eigenen Händen zu erzeugen und zu verarbeiten. Und man war abhängig davon, dass Gott es regnen ließ, damit zum Beispiel Getreide wächst.
Darüber hinaus ist gemeinsames Essen einfach etwas, das in Gemeinschaftskulturen, wie wir sie in den biblischen Erzählungen finden, einen sehr viel höheren Stellenwert hat, als bei uns im heutigen individualisierten Westen. Man erlebt dies auch in der Arbeit unter Geflüchteten, die, wenn sie aus dem Orient kommen, ebenfalls aus Gemeinschaftskulturen stammen. Es gibt wahrscheinlich wenige Flüchtlingshelfer, die nicht zu einem grandiosen Essen eingeladen wurden!
Warum hat sich Jesus im Neuen Testament wohl gerne zu einem guten Mahl einladen lassen?
In der Tat fällt beim Lesen des Neuen Testamentes auf, dass Jesus oft mit Menschen zu Tisch gesessen hat. Er wurde sogar einmal ein „Fresser und Weinsäufer“ genannt (Matthäus 11,19).
Dass manche Leute so negativ emotional auf Jesu Tischgemeinschaften reagierten, lag aber weniger an der Tatsache, dass Jesus gerne etwas aß und trank, sondern vielmehr daran, mit wem er das tat. So fragten die Pharisäer die Jünger einmal: „Warum isst euer Meister mit den Zöllnern und Sündern?“ Das Problem der Frommen damals war: Jesus isst mit den falschen Leuten. Er überschreitet soziale Grenzen, solidarisiert sich mit den Ausgeschlossenen und eröffnet ihnen die Möglichkeit, wieder an der Gemeinschaft teilzuhaben und ihr Leben zu ändern.
Die Tischgemeinschaften von Jesus waren also Teil seiner Reich-Gottes Arbeit. Sie können uns herausfordern, eigenes Abgrenzungsverhalten zu hinterfragen, mehr Zuwendung zu Menschen zu wagen, die anders sind und die Kraft von verändernder Gemeinschaft zu erleben. Mit wem würde Jesus heute essen?
Welche Bedeutung hat Essen wohl in diesem Bibelvers: „Merkst du nicht, dass ich vor der Tür stehe und anklopfe? Wer mich rufen hört und mir öffnet, zu dem gehe ich hinein, und wir werden miteinander essen – ich mit ihm und er mit mir“ (Offenbarung 3,20 HfA).
Ich finde es absolut faszinierend, dass Jesus an dieser zentralen biblischen Stelle dieses Bild verwendet. Er spricht hier von der ewigen Gemeinschaft, die Menschen mit ihm erleben werden, wenn sie ihn bewusst dazu eingeladen haben. Und von den vielen Bildern, die er hätte wählen können, um die ewige Gemeinschaft mit ihm zu umschreiben, wählt er das Bild des gemeinsamen Essens.
Pietros Lieblingsrezept zum Nachkochen:
Bilder: Haiger is(s)t bunt